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Moderne Therapie der Depressionen: Fokus auf Langzeittherapie

 

Es trifft jeden fünften Deutschen. Im Laufe ihres Lebens erkranken heute 20 Prozent der Bevölkerung an einer Depression. Inzwischen haben etwa zwölf Prozent der Patienten, die eine Arztpraxis aufsuchen, eine Depression. Häufiger sind nur noch kardiovaskuläre Erkrankungen. „Depressionen Hüten oder Verhüten ist das Motto der modernen Therapie von Depressionen“, so Prof. Dr. Eckart Rüther, Psychiater und Neurologe, Universität Göttingen und LMU München. Das war das Thema beim 58. Grünwalder Gespräch im Juni 2007.

Das Gehirn ist unvorstellbar wandlungsfähig. Wenn es keinen Ausweg aus einer Belastung oder Überlastung erkennt, reagiert es mit einer Abschalt-Reaktion. Diese wird von der betroffenen Person als Depression erlebt. „Dieses Alarmzeichen ist zunächst eine gesunde Reaktion“, so Rüther. „Mensch, hör auf, du mutest dir zuviel zu“. Ist dieser Zustand nicht zu durchbrechen, werden krankheitsartige Depressionen ausgelöst. Oft dauern diese Phasen sehr lange, ohne adäquate Therapie können sie chronifizieren. Mit jeder depressiven Episode wird ein Wiederauftreten wahrscheinlicher. Je häufiger Rezidive auftreten, desto schwerer sind sie und desto kürzer werden die beschwerdefreien Intervalle.

„Die Therapie einer Depression richtet sich nach den individuellen Gegebenheiten des Patienten“, erklärte Rüther. „Eine sorgfältige Analyse des ‚depressiven Zustandbildes’ bestimmt die Therapie“. Der Therapieansatz selbst hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt: Stand 50 Jahre lang die Kurzzeittherapie mit Antidepressiva im Vordergrund, ist jetzt in neueren Untersuchungen auch die Langzeittherapie mit Antidepressiva auf eine evidenzbasierte Basis gestellt worden. „Ohne Zweifel unterstützen die Antidepressiva nicht nur die Erholung von der Depression, sondern helfen auch, das mögliche Wiederauftreten von Depressionen zu verhindern“, so Rüther. „Studien zufolge erleiden 40 Prozent der Patienten innerhalb eines Jahres nach pharmakologisch therapierter Depression einen Rückfall und müssen erneut behandelt werden“.

Diesen Perspektivenwechsel in der Depressionstherapie verdeutlichen auch die Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ), 2006: Nach der Beendigung einer depressiven Periode sind eine anschließende Erhaltungstherapie zur Remissionsstabilisierung sowie eine folgende, langfristige Rezidivprophylaxe die Hauptziele der Pharmakotherapie von Depressionen.

„Bei der Wahl der Therapeutika ist es zunehmend wichtiger, deren Eignung für eine langfristige Therapie zu berücksichtigen“, erläuterte Rüther. „Langzeitstudien zur Vorbeugung von Rückfällen sind selten. Wir mussten uns bisher auf Erfahrungswerte stützen, die PREVENT-Studie schließt damit eine Wissenslücke“, so Rüther.

In der jüngst veröffentlichten PREVENT-Studie waren 1.096 Patienten eingeschlossen, die innerhalb der vorangegangenen fünf Jahre zwei oder mehr Episoden einer schweren Depression erlitten. In einem 4-phasigen Studiendesign wurden nach erfolgreicher Akut- und Stabilisierungsphase bei genesenen oder fast genesenen Patienten die Wirksamkeit der Behandlung mit Venlafaxin hinsichtlich der Rückfallprophylaxe über einen Zeitraum von 24 Monaten im Vergleich zu Plazebo untersucht. Anhand der PREVENT-Studie konnte eindrücklich nachgewiesen werden, dass mit Venlafaxin retard (Trevilor® retard, Wyeth Pharma GmbH) nach erfolgreicher Akutbehandlung die Wahrscheinlichkeit eines neuen Auftretens über 24 Monate reduziert wurde.

Nach zwölf Monaten Erhaltungstherapie blieben 77 Prozent der Patienten unter Venlafaxin retard rückfallfrei, während nur 58 Prozent unter Plazebo rückfallfrei blieben. Im zweiten Jahr der Erhaltungstherapie blieben 92 Prozent und 55 Prozent unter Plazebo rückfallfrei. Der Zeitraum bis zu einem erneuten Rückfall war im Vergleich zur Plazebo-Therapie signifikant länger. Venlafaxin retard ist das einzige Antidepressivum mit der Zulassung zur Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe.

 

Zusammenfassung:

Eine Depression ist in den seltensten Fällen eine einmalige Episode. Meist handelt es sich um eine chronisch-rezidivierende Erkrankung, die eine Langzeitbehandlung benötigt. Das Ziel ist die mehrjährige und gegebenenfalls lebensbegleitende Rezidivprophylaxe. „Nur so kann das Risiko einer wieder auftretenden depressiven Symptomatik minimiert werden“, so Rüther, „es muss verhindert werden, dass Antidepressiva über einen zu kurzen Zeitraum verordnet werden. Mit der PREVENT-Studie wird die Langzeittherapie auf eine evidenzbasierte Basis gestellt. Eine wichtige Wissenslücke wird somit geschlossen“.

 

Grünwald, 13. Juni 2007

 

Quellen:
DIE WELT 22.Oktober 2004
Hintergrundinfo PREVENT (Wyeth Pharma GmbH)
Prevention of Recurrent Episodes of Depression with Venlafaxine for Two years
Keller M et.al. (2006) Recurrence Prevention with Two Years for Maintenance Treatment with Venlafaxine XR in Patients with Recurrent Unipolar Major Depression. Der Nervenarzt 77(suppl 3)S192
Müller TI, et al. (1999) Recurrence After Recovery From Major Depressive Disorder During 15 Years of Observational Follow-Up. Am J Psychiatry 156:1000-1006
Solomon DA, Keller MB, Leon AC et al. (2000) Multiple recurrences of major depressive disorder. Am J Psychiatry 157:229-233.