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Original oder Generikum in der Depressionstherapie:
Therapiestabilität erhalten

(Grünwald, 20. August 2008). Generika spielen als kostengünstige Variante eines Originalpräparates zwar eine wichtige Rolle im deutschen Gesundheitssystem. Galenik und Bioverfügbarkeit wirkstoffgleicher Präparate können jedoch stark vom Originalpräparat abweichen: Laut der Note for Guidance on the Investigation of Bioavailability and Bioequivalencea darf ein Generikum zwischen 80 bis 125 Prozent der Bioverfügbarkeitb des Originals aufweisenc. Welche Auswirkungen diese Schwankungen für die Therapie von Depressionen im Praxisalltag haben können, diskutierte Professor Dr. Hans-Peter Volz am Beispiel des selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers (sSNRI) Trevilor® retard beim 66. Grünwalder Gespräch. Erkenntnisse aus einer Bioäquivalenzstudie mit einem kanadischen Venlafaxin-Generikum in retardierter Form zeigen, dass sich Plasmaverhalten sowie klinische Eigenschaften des Generikums deutlich vom Original unterscheiden. In der Studie wurden unter dem retardierten Generikum signifikant höhere Nebenwirkungen (v.a. Übelkeit) beobachtet.d

Unter dem kanadischen Generikum Novo-Venlafaxin (retardiert) der Firma Teva kam es in einer Bioäquivalenzstudie im Vergleich zu Trevilor® retard signifikant häufiger zu unerwünschten Wirkungen. Insbesondere gastrointestinale Nebenwirkungen, hierbei vor allem Übelkeit, waren doppelt so hoch wie unter Venlafaxin retard. Bei 12,5 Prozent der insgesamt 24 Patienten, die das Generikum bekamen, traten zudem erhöhte Leberwerte auf.e Die Studie zeigte auch, dass die Wirkstoffgesamtdosis des retardierten Generikums – die Area under the curve (AUC) – im Vergleich zum Originalpräparat nahe an 125 Prozent liegt. Zudem zeigt das retardierte Generikum eine hohe Spitzenkonzentration am Beginn der Freisetzungf – hierin könnte eine mögliche Erklärung für die höhere Nebenwirkungsrate liegen. „Die bessere Verträglichkeit die die Originalsubstanz aufweist, scheint verloren gegangen zu sein“, bilanzierte Professor Volz, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Schloss Werneck.

 „Ein Generikum kann erheblich in seiner Plasma-Zeit-Konzentration von dem Originalpräparat abweichen und gilt trotzdem noch als bioäquivalent“, erläuterte Volz weiter. Der Grund hierfür sind die Zulassungsvoraussetzungen, die an ein Generikum gestellt werden: Die Bioäquivalenz eines Generikums gilt als erwiesen, wenn das Generikum in einer Bioäquivalenzstudieg eine Area under the Curve (AUC) aufweist, die zwischen 80 und 125 Prozent des Originalpräparates liegt – hiermit wird vorausgesetzt, dass das Generikum dieselbe therapeutische Effektivität aufweist  wie das Original. Durchgeführt wird eine Bioäquivalenzstudie an mindestens zwölf, gesunden, meist männlichen Probanden, die zwischen 18 und 55 Jahren alt sind, nicht Rauchen, kein Übergewicht haben und nur einmal eine Kapsel erhalten. „Inwieweit die Ergebnisse von Studien an jungen, gesunden Probanden übertragbar auf alle Patienten sind, muss im Einzelfall kritisch abgewogen werden. Oberstes Ziel muss jedoch immer der Erhalt der Therapiestabilität sein“, so Volz. Dass der Einsatz von Generika insbesondere bei der Verordnung von Antidepressiva kritisch sein kann, merkt auch die Leitlinie „Gute Substitutionspraxis“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft an.h

Volz wies darauf hin, dass die Situation bei Trevilor® retard eine besondere ist: Die Retardformulierung, die bis 2017 patentgeschützt ist, wurde entwickelt, um eine einmal tägliche Einnahme zu ermöglichen und Nebenwirkungen zu minimieren. „Das bedeutet, dass generische Venlafaxin-Zubereitungen sich auf jeden Fall in ihrer Galenik von Trevilor® retard unterscheiden müssen.“

Trevilor® retard  ist zugelassen zur Behandlung von Depressionen mit oder ohne Angstsymptomatik sowie für die Erhaltungstherapie und Rezidivprophylaxe depressiver Erkrankungen, ebenso zur Therapie von Angststörungen, wie Soziale Phobie und Panikattacken.i

Zusammenfassung:
Gerade auf dem sensiblen Gebiet einer Depressionstherapie muss der Wechsel von einem hochwirksamen Originalpräparat auf ein Generikum sorgfältig geprüft werden. Die Therapie einer Depression richtet sich nach den individuellen Gegebenheiten des Patienten. Beispiele aus der Literatur belegen die klinische Relevanz der Risiken bei der Verschreibung eines Generikums. 10 Prozent der Patienten weisen nach einem Wechsel Probleme bei der Wirksamkeit und Verträglichkeit auf. Volz: „Die Sicherstellung des Therapieerfolgs kann durch die Unterschiede bei Galenik und Bioverfügbarkeit durch den Einsatz eines generischen Venlafaxin gefährdet sein“.

 

Quellen:
Siehe Fußnoten, weiteres Material bei dem Referenten

a) (CPMP/EWP/QWP/1401/98)
b) Area under the Curve = AUC
c) as 90 % Konfidenzintervall des jeweiligen Messparameters muss innerhalb einer zugelassenen Schwankungsbreite von 80-125 % des entsprechenden Messparameters desReferenzproduktes liegen.
d) Novopharm, CR9427-N0454/7-23, 2005. Document released under the Access to Information Act of Canada
e) Novopharm, CR9427-N0454/7-23. Document released under the Access to Information Act of Canada, 2005
f) Data on file, Wyeth
g) Note for Guidance on the Investigation of Bioavailability und Bioequivalence, EMEA 20.7.2001. CPMP/EWP/QWP/1401/98.
h) Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft e.V. „Gute Substitutionspraxis“ (GSP) Leitlinie, 3/2002
i) Fachinformation Venlafaxin, Wyeth Pharma GmbH