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Neue Therapieoptionen mit Immunglobulinen

(Grünwald 10. Oktober 2007) Immunglobuline (IVIG) wurden vor mehr als 30 Jahren in die Therapie eingeführt. Die im Laufe der Zeit experimentell und klinisch gewonnenen Erkenntnisse über die biologischen und immunregulatorischen Eigenschaften der IVIG haben die Immunglobulintherapie zu einem hohen Stellenwert geführt. Ihre Anwendung reicht heute von der Prophylaxe oder Therapie viraler Infektionen bis zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten und schweren Entzündungen, dazu zählen immunsupprimierte Patienten nach Transplantationen, mit Tumoren oder HIV-Infektionen.

Zwei neuen Therapiemöglichkeiten widmeten sich die Referenten beim Grünwalder Gespräch im Oktober 2007,
der Cytomegalie-Infektion während der Schwangerschaft und einer seltenen, aber sehr schweren, Hauterkrankung, der Dermatomyositis.

„Das Cytomegalievirus (CMV) ist die häufigste Ursache angeborener Infektionen die zu kindlicher Erkrankung bei der Geburt und aber auch zu Spätschäden (Entwicklungsstörungen, Hörschäden) führen kann“, erklärte Professor Dr. Klaus Friese, Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der LMU (München). Nach Angaben des amerikanischen Center for Disease Control (CDC) wird eins von 750 Neugeborenen mit CMV-bedingten Schäden geboren. In Deutschland werden in jedem Jahr fast einhundert Kinder mit CMV-bedingten Schäden geboren. „Die mütterliche CMV-Primärinfektion gilt als Hauptrisikofaktor, sowohl für die kindliche Erkrankung bei der Geburt als auch für Spätschäden“, so Friese. Sie kann über die Schleimhäute des Respirations- bzw. Genitaltrakts erfolgen. Die Primärinfektion wird bei Gesunden durch die zelluläre Immunreaktionen und die Bildung spezifischer Antikörper gegen das Virus begrenzt.

Die CMV-Primärinfektion wird aufgrund meist uncharakteristischer Symptomatik und subklinischem Verlauf nur selten diagnostiziert. Zum Antikörper- und Virusnachweis stehen heute eine Vielzahl von Methoden und Tests zur Verfügung. Zur Feststellung des Immunstatus bzw. einer akuten oder rezidivierenden Infektion werden Antikörperbestimmungen durchgeführt. Die pränatale Diagnostik wird zunehmend bei schwangeren Frauen mit auffälligen serologischen Befunden oder aufgrund abnormaler Befunde im Ultraschall bei unbekannter oder unauffälliger CMV-Serologie durchgeführt. Am häufigsten konnten fetale Infektionen durch Entnahme von Fruchtwasser in der 19.-20. Schwangerschaftswoche nachgewiesen werden.

Im September 2005 veröffentlichte Dr. Giovanni Nigro (La Sapienza Universität, Rom) im New England Journal of Medicine eine Studie, in der über den erfolgreichen Einsatz von Hyperimmunglobulinen bei der konnatalen CMV-Infektion berichtet wurde. Auf einer Konsensus-Konferenz in Deutschland wurde vom CMV-Lenkungskreis des Berufsverbands der Frauenärzte beschlossen, sich dieser Thematik intensiver anzunehmen.

Mit Unterstützung der Biotest AG wird seit Oktober 2007 eine kontrollierte randomisierte Studie zur Prävention der konnatalen CMV-Infektion mit einem spezifischen Hyperimmunglobulin durchgeführt. Ziel der Studie ist es, die Übertragung des Virus von der Mutter auf das Ungeborene zu verhindern. An dieser europäischen Studie, unter Leitung von Professor Klaus Friese, werden maximal 25.000 Schwangere teilnehmen.

Die Patientinnen werden auf zwei Gruppen aufgeteilt: Gruppe A erhält alle vier Wochen einen regelmäßigen serologischen Test auf CMV-Antikörper bis zur 36. Schwangerschaftswoche, sollte eine Infektion festgestellt werden, wird die Behandlung mit BT094 (CMV Hyperimmunglobulin) begonnen. BT094 ist eine Weiterentwicklung des CMV Hyperimmunglobulins Cytotect ® (Biotest AG), das seit langem in der Transplantationsmedizin erfolgreich eingesetzt wird. Gruppe B erhält die routinemäßigen Schwangerschaftsvorsorge­Untersuchungen.

Ziel der Studie ist es, die Wirksamkeit und Sicherheit von Cytotect® (BT094) bei der Prävention der CMV-Infektion während der Schwangerschaft festzustellen. In der Behandlungsgruppe (Gruppe A) sollen signifikant weniger CMV-infizierte Kinder geboren werden als in der Gruppe B. Friese: „Mit Hilfe dieser Studie wollen wir die Gewissheit erhalten, dass mit Hilfe regelmäßiger serologischer Tests auf CMV während der Schwangerschaft, viele Schädígungen bei Neugeborenen und die Spätfolgen vermieden werden können. Ziel dieser Studie ist es, dass die CMV-Diagnostik in die Mutterschaftsrichtlinien des Verbandes aufgenommen werden“.


Dermatomyositis


Professor Dr. Alexander Enk, Direktor der Universitäts-Hautklinik, Universität Heidelberg: Die Dermatomyositis (DM) gehört zu den Autoimmunerkrankungen. Sie ist eine seltene, prognostisch ungünstige Systemerkrankung. Die DM kann schleichend-chronisch aber auch akut beginnen. Betroffen sind die Haut, Muskeln und innere Organe. Am häufigsten tritt die Erkrankung zwischen dem 35. und 55. Lebensjahr auf, auch Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 15 Jahren können daran erkranken. Die Symptome: fliederfarbene Exantheme im Gesicht, Hals und Nacken, Oberkörper, Hautveränderungen an den Händen und Bewegungsschmerzen als Zeichen einer generalisierten Gefäßerkrankung., In Gelenknähe bilden sich Ödeme. Die Erkrankung führt zu Gewichtsabnahme, Muskelschwäche, Schluckstörungen, Augenproblemen und Komplikationen der befallenen inneren Organe (Herz, Lunge, Verdauungstrakt). Die Dermatomyositis wird leider auch von Dermatologen häufig nicht rechtzeitig diagnostiziert und selbst bei richtiger Diagnose nicht optimal behandelt.

Die Behandlung schwerer dermatologischer Autoimmunkrankheiten mit hochdosiertem Immunglobulin (IVIg) ist auch in der Dermatologie eine etablierte Therapie. Das European Dermatology Forum (EDF) und die European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) haben ein Konsensuspapier erstellt, um Therapieentscheidungen für Immunglobuline bei schweren Hauterkrankungen zu erleichtern.

Professor Enk, der Leiter des Expertenteams: „Einheitliche Kriterien für die Diagnose und Therapie der Dermatomyositis wurden erarbeitet. Das Schema ist auch geeignet für die Behandlung des systemischen Lupus erythematodes und anderen seltenen dermatologischen Autoimunkrankheiten, wie z. B. Autoimmune Blistering Disease (blasenbildende Autoimmundermatosen), vaskulitische Syndrome und toxische epidermale Nekrolyse".

Für die Dermatomyositis hat das Konsensuspapier folgende Behandlungskriterien festgelegt. Die wichtigsten sind: Alle schweren Formen der Dermatomyositis sollten mit Immunglobulinen behandelt werden. Gute Studiendaten rechtfertigen den frühen Einsatz von IVIg, zusammen mit anderen Immunsuppressiva und Kortikosteroiden. Eine Dosierung von 2 g pro kg/Körpergewicht ist die empfohlene Dosierung. Wird die Behandlung gut vertragen, kann dies auch ambulant erfolgen.

„Eine erste Besserung tritt meist nach dem zweiten Behandlungszyklus ein. Der Patient spürt, dass sich seine Muskelkraft wieder gestärkt hat, auch der Arzt kann dieses beobachten. In einigen Fällen sind drei oder vier Therapiezyklen nötig bis sich eine entscheidende Besserung der Symptome zeigt“, erklärte Enk. In seltenen Fällen kann eine Langzeittherapie mit Immunglobulinen bei schwerer Dermatomyositis sinnvoll sein.

„Klare Kriterien ermöglichen nun dem behandelnden Arzt, die für den DM-Patienten richtige Strategie zu finden, um für ihn möglichst bald eine Remission seiner Erkrankung zu erreichen“, so Enk.

 

 

Quellen:

  1. Friese, Schäfer, Hof: Infektionskrankheiten in Gynäkologie und Geburtshilfe, 2003, Springer Verlag (Berlin)
  2. G.Niro et al., The New England Journal of Medicine, Vol. 353:1350-1362 8September 29,2005 2005
  3. G. Enders et al, Frauenarzt 10/2006
  4. Prins C, Gelfand EW, French LE. Intravenous immunoglobulin: properties, mode of action and practical use in dermatology. Acta Derm Venereol. 87:206-18, 2007
  5. Enk A, Hertl M, Messer G, Meurer M, Rentz E, Zillikens D. The use of high dose intravenous immunoglobulins in dermatology. J Dtsch Dermatol Ges. 2003 Mar;1(3):183-90. German.
  6. Jolles S, Hughes J, Whittaker S. Dermatological uses of high-dose intravenous immunoglobulin. Arch Dermatol. 1998 Jan;134(1):80-6.
  1. Cherin P, Piette JC, Wechsler B, Bletry O, Ziza JM, Laraki R, et al. Intravenous gamma globulin as first line therapy in polymyositis and dermatomyositis: an open study in 11 adult patients. J Rheumatol 1994;21:1092-7.
  2. Sansome A, Dubowitz V. Intravenous immunoglobulin in juvenile dermatomyositis-four year review of nine cases. Arch Dis Child 1995;72:25-8.
  3. Choy EHS, Hoogendijk JE, Lecky B, Winer JB. Immunosuppressant and immunomodulatory treatment for dermatomyositis and polymyositis. Art. No.: CD003643.