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Hormonausfälle nach Schädel-Hirn-Trauma und Hirnblutungen

Die besondere Bedeutung des Wachstumshormons

 

Um lebensfähig zu bleiben, benötigt unser Organismus eine ganze Reihe verschiedener Hormone. Hormone sind bekanntlich körpereigene Wirkstoffe, die spezifisch auf bestimmte Organe oder Organsysteme einwirken und deren biochemische und physiologische Funktionen regulieren. Eine wichtige Rolle spielt das Wachstumshormon, das in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gebildet wird. An vielen Stellen des Körpers stehen Rezeptoren für Wachstumshormon zur Verfügung, damit das Wachstumshormon seine Wirkung auf die Endorgane erzielen kann. Während die Auswirkungen eines Mangels an Wachstumshormon bei Kindern schon sehr lange bekannt sind, wurde Wachstumshormon bei Erwachsenen nicht als ein wichtiges hormonelles Störungselement betrachtet. Heute dagegen rücken Defizite des Wachstumshormons bei Erwachsenen immer stärker in den Vordergrund. Darum ging es beim Grünwalder Gespräch im Februar 2006.

Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, Chefärztin der 3. Medizinischen Abteilung, Klinikum Bogenhausen, München: „Dem Wachstumshormon stehen an sehr vielen Orten des Körpers Rezeptoren zur Verfügung, an die es andocken kann. Damit übt es die vielfältigsten Wirkungen im Körpergeschehen aus.“

Die Bezeichnung „Wachstumshormon“ ist historisch bedingt, weil man früher nur seine Wirkung bei Kindern kannte. Die medizinisch korrekte Bezeichnung ist Somatropin. Da es wegen seiner Beschaffenheit aus Eiweißbausteinen bei Einnahme in Tabletten- oder Tropfenform im Verdauungstrakt wie andere Eiweißstoffe verdaut würde und seine Wirkung im Körper nicht entfalten könnte, muss der Patient es unter die Haut injizieren. Seit über zehn Jahren weiß man, dass dieses Hormon lebenslang gebildet wird und auch für den erwachsenen Organismus von erheblicher Bedeutung ist.

„Die häufigste Ursache eines Wachstumshormonmangels im Erwachsenenalter sind Tumorbildungen im Bereich der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) sowie des Hypothalamus. Auch können die Folgen eines chirurgischen Eingriffs und/oder einer Strahlenbehandlung in diesem Gebiet zu Störungen führen“.

Erwachsene mit einem Wachstumshormon-Mangel leiden an zahlreichen Beschwerden, berichtete Schumm-Draeger, dazu gehören ein verminderter Antrieb, kontinuierliche Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, eine Verschlechterung kognitiver Funktionen (schlechtere Konzentrationsfähigkeit, größere Vergesslichkeit, schlechtere Aufmerksamkeit) sowie Libidoverlust.

Durch Stoffwechselveränderungen kommt es bei Wachstumshormonmangel zur Zunahme der Fettmasse, vor allem im Bauchbereich und einer Abnahme der Muskelmasse. Es besteht ein erhöhtes Risiko, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln. Ebenso kann sich bei einem Wachstumshormonmangel über einen längeren Zeitpunkt eine Osteopenie bzw. Osteoporose entwickeln.

Das Fazit von Petra-Maria Schumm-Draeger: „Wird der Wachstumshormonmangel im Erwachsenenalter nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, besteht für den Patienten eine reduzierte Lebenserwartung um ca. 10 Jahre“.

Die wichtige aber häufig unerkannte Ursache für Wachstumshormonmangel ist das Schädel-Hirn-Trauma. Unter Schädel-Hirn-Trauma versteht man ein Kopftrauma, das entweder den knöchernen Schädel oder dessen Weichteile betrifft. Es kann ausgelöst werden durch direkte Schädigung des Nervengewebes oder indirekt durch erhöhten Druck und Schwellung benachbarter Gehirnteile.

Auch Infektionen oder Knochensplitter können zu einem Schädel-Hirn-Trauma führen. Ungefähr 100.000 Schädel-Hirn-Traumen treten im Jahr in Deutschland auf. In bis zu 15 Prozent der Fälle treten Ausfälle der Wachstumshormonproduktion auf.

Dr. Christian Berg, Leiter des wissenschaftlichen Projektes „Endokrinologische (hormonelle) Folgen nach Schädel-Hirn-Trauma (SHT)/ Subarachnoidalblutungen (SAB)“ aus der Abteilung für Endokrinologie, Universitätsklinikum Essen, stellte dieses neue Projekt vor. „Es handelt sich bei dem wissenschaftlichen Projekt um eine deutschlandweit angelegte Untersuchung, an der fünf endokrinologische Zentren teilnehmen, die Patienten mit einem Schädel-Hirn-Trauma oder einer Subarachnoidalblutung versorgen. Eine Blutprobe des Patienten wird zunächst in Essen auf Hormonausfälle analysiert. Die Analysen werden dann an die entsprechenden Kollegen vor Ort weitergeleitet. Diese führen dann weitere Diagnostik durch und leiten – wenn nötig - eine Hormon-Therapie ein.

Als endokrinologische Zentren sind beteiligt: Professor Dr. Stephan Bornstein und Dr. Birgit Gerbert, Universitätsklinikum Dresden, Professor Dr. Georg Brabant, Medizinische Hochschule Hannover, Professor Dr. Matthias Weber, Klinikum der J. Gutenberg Universität Mainz und natürlich Frau Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger. Projektleiter ist Professor Dr. Klaus Mann, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Universitätsklinikum Essen. Unterstützt wird dieses wissenschaftliche Projekt von der Firma Novo Nordisk Pharma GmbH in Mainz.

„Die Untersuchung auf Hormonausfälle bei den oft schwer erkrankten Patienten bietet die Möglichkeit, Mangelzustände besser erkennen zu können und den Patienten eine optimale Ersatztherapie zukommen zu lassen“, berichtet Dr. Berg.

Patienten mit einem mittelschweren und schweren Schädel-Hirn-Trauma zeigen nach der Akutversorgung und Rehabilitationsmaßnahmen häufig keine vollständige Genesung. „Ziel des Projektes ist es, das Auftreten einer Hypophyseninsuffizienz nach einem SHT und SAB zu erfassen. Die oft reduzierte Lebensqualität der Patienten wird mit Hilfe von Fragebögen bewertet.

In internationalen Untersuchungen stellte man fest, dass bei bis zu 30 Prozent aller Schädel-Hirn-Traumen hormonelle Störungen auftreten, davon betreffen bis zu 15 Prozent das Wachstumshormon. Diese Ergebnisse konnten auch im Rahmen der Untersuchungen bei diesem wissenschaftlichen Projekt bestätigt werden.

Die Diagnose einer Hypophyseninsuffizienz nach SHT/SAB stellt sich oft als schwierig heraus, da Patienten häufig unentdeckt bleiben. „Unser Projekt soll helfen, in der breiten Anwendung Hormonstörungen nach solchen, oft schwerwiegenden Ereignissen besser zu erkennen.“ Eine Wachstumshormon-Therapie bei entsprechenden klinischen Symptomen ist sinnvoll und notwendig. Die Wachstumshormon-Substitution bei Erwachsenen ist eine zugelassene Indikation und wird erstattet. Generell ist zu bemerken, dass die gesamten Hormone, die ausgefallen sind, ersetzt werden müssen. Eine Therapie eventueller Hormonausfälle bringt den Patienten oftmals mehr körperliche Leistungsfähigkeit und auch mehr Lebensqualität. „Deshalb sollte ein Screening des Hormonstatus nach solchen Ereignissen immer durchgeführt werden. Unser Projekt leistet einen Beitrag dazu“, so Dr. Berg.

Grünwald im Februar 2006

Quellen:

Weitere Literatur bei den Referenten

www.novonordisk.de