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Osteoporosetherapie aktuell

 

Laut WHO zählt Osteoporose weltweit zu den zehn häufigsten Krankheiten. In Deutschland sind rund 7 – 8 Millionen Menschen betroffen 1. Da die durchschnittliche Lebenserwartung weiter steigt, wird die Häufigkeit von Knochenbrüchen zunehmen. Schon heute erleiden etwa 40 Prozent der Frauen und 13 Prozent der Männer über 50 Jahre einen osteoporosebedingten Bruch. Bis 2050 wird sich die Inzidenz verdoppeln 2.

Professor Dr. Johann Diederich Ringe, Chefarzt der Medizinischen Klinik IV, Klinikum Leverkusen: „Erschreckend ist: Alle drei Minuten passiert eine neue Wirbelkörperfraktur“. Was muss geschehen? Das war die Frage beim Grünwalder Gespräch im September 2006.

Der Dachverband Deutschsprachiger Wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie (DVO) hat im Juni 2006 eine klare Strategie vorgegeben. Nach den Leitlinien haben folgende Medikamente zur Verhinderung von Wirbelkörperfrakturen bei postmenopausalen Frauen ihre Wirksamkeit bewiesen: Risedronat, Alendronat, Ibandronat, Raloxifen, Strontium-Ranelat und Teriparatid. Zur Verhinderung von peripheren Knochenbrüchen empfiehlt die Leitlinie des DVO Risedronat, Alendronat, Strontium-Ranelat und Teriparatid 3.

 

Osteoporose bei der Frau

Verschiedene Studien mit Risedronat (Actonel®, sanofi-aventis Deutschland GmbH und Procter & Gamble Pharmaceuticals – Germany GmbH) haben ergeben, dass das Risiko einer Wirbelkörperfraktur nach einem Jahr in einer multinationalen Studie um 61 Prozent, in einer US-amerikanischen Studie um 65 Prozent gesenkt werden konnte 4,5.. Zusätzlich zu Risedronat erhielten die Patienten 1000 mg Kalzium und bei Bedarf Vitamin D. Das Risiko für non-vertebrale Frakturen sank signifikant nach sechs Monaten, nach 36 Monaten um 59 Prozent.

Auch das Hüftfrakturrisiko bei manifester Osteoporose ließ sich mit Actonel entscheidend senken. Nach 36 Monaten war das Risiko gegenüber der Kontrollgruppe um 60 Prozent gesunken 6. Ringe: „Zwei von drei Hüftfrakturen bei Patientinnen mit manifester Osteoporose können verhindert werden“.

Osteoporose beim Mann

Nicht nur Frauen sind von Osteoporose betroffen – auch beim Mann nimmt die Gefahr, an einer Osteoporose zu erkranken, stetig zu.

In einer randomisierten, doppel-blinden und Placebo kontrollierten, multizentrischen Studie, wurden 284 Männer mit Osteoporose über zwei Jahre behandelt. Ein Studienarm (N=191) erhielt einmal wöchentlich 35 mg Risedronat, die andere Gruppe (N=93) Placebo. Alle Patienten erhielten 1000 mg Calcium und 400-500 IU Vitamin D. Die Gruppe, die Risedronat erhalten hatte, zeigte am Ende der Studie eine Zunahme der Knochendichte der Lendenwirbelsäule um 4,5 Prozent 7.

In einer anderen Studie wurde Actonel 5 mg bei sekundärer Osteoporose bei Männern gegeben. Nach 12 Monaten hatte sich das Risiko eine vertebrale Fraktur zu erleiden gegenüber Placebo um 60 Prozent reduziert 8.

Die Zulassung durch die FDA und die EMEA für das Indikationsgebiet Osteoporose beim Mann liegt seit Juli 2006 vor. In Deutschland ist Risedronat für die Behandlung des Mannes mit hohem Frakturrisiko ab sofort zugelassen.

Versorgungsforschung: Erweiterung der Evidenz

„Randomisierte kontrollierte Studien (RCT) sind der Goldstandard für den Nachweis von Wirksamkeit und Verträglichkeit für die behördliche Zulassung neuer Medikamente. Eine RCT erlaubt eine zuverlässige Beurteilung des relativen Vorteils einer bestimmten Therapie in einem definierten Krankheitsparameter unter Idealbedingungen. Es herrschen strenge Ein- und Ausschlusskriterien“, sagt Dr. Ortun Gröschel, Fachärztin für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin, Coburg.

Versorgungsforschung erhöht den Wirkungsgrad medizinischer Forschung durch Optimierung der „letzten Meile“ im Gesundheitswesen. Unter Versorgungsforschung versteht man die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung von Einzelnen und der Bevölkerung mit gesundheitsrelevanten Produkten und Dienstleistungen unter Alltagsbedingungen (AK Versorgungsforschung, 2004). Quellen sind medizinische Forschungsdatenbanken, medizinische Anspruchsberechtigungs- und Verwaltungsdatenbanken und verschiedene Register. Sie alle können Informationen über Krankheitszustände, -häufigkeiten, -verläufe, reale Behandlungsschemata, Wirksamkeit und Verträglichkeit verschiedener Medikamente unter Alltags-Bedingungen liefern.

P.R.O.T.E.C.T: Risedronat im Praxisalltag

„Ein gutes Beispiel für eine Datenbank-Analyse aus dem Praxisalltag ist die US-amerikanische P.R.O.T.E.C.T. (Auswertung von Daten der Protocare Evaluation of Clinical Therapies Datenbank, Constella Health Services). Dabei wurden die Daten über die Frakturwirksamkeit von Osteoporose-Therapien miteinander verglichen. In der Datenbank sind alle Ansprüche und Berechtigungen von 10 Millionen Patienten in öffentlichen und privaten Sozialsystemen der USA enthalten, zum Beispiel Verschreibungen und Krankenhauseinweisungen“, so Gröschel.

In der P.R.O.T.E.C.T – Analyse wurden retrospektiv über einen Zeitraum von 12 Monaten alle Patienten über 45 Jahre mit einer Erstverordnung Calcitonin, Alendronat oder Risedronat in Amerika erfasst. Registriert wurden nichtvertebrale
Frakturen über 12 Monate nach Erstverordnung. Insgesamt wurden Daten von 5024 Patienten analysiert. Im Erfassungszeitraum senkte Risedronat das Risiko für nicht-

vertebrale Frakturen signifikant um 75 Prozent im Vergleich zur Calcitonin-Kontrolle (Alendronat nicht signifikant um 25 Prozent). Im Vergleich zu Alendronat traten unter Risedronat 59 Prozent weniger nicht-vertebrale Frakturen auf (Ergebnis signifikant mit p < 0,05) 9.

Die Ergebnisse der P.R.O.T.E.C.T-Analyse 1 stehen im Einklang mit den Daten aus klinischen Studien. Diese Versorgungsforschungsdaten bestätigen die Ergebnisse aus klinischen Studien zur Wirksamkeit von Risedronat und Alendronat.

Gröschel: „Grundsätzlich gleichen sich die Ergebnisse zwischen klinischen Studien und Versorgungsforschung. Hier kann jedoch direkt zwischen Risedronat und Alendronat verglichen werden.“

Compliance und Patientenverständnis

Gröschel: „Im Mittelpunkt einer jeden Therapie steht immer der Patient.“ Zu einer Osteoporosetherapie gehört auch eine ausreichende Calcium-Ergänzung, und wenn nötig, eine zusätzliche Vitamin D- Gabe.

Eine Vereinfachung der Therapie ist der Wochenblister von Risedronat und Calcium. Er enthält 1 Tablette Bisphosphonat und 6 Tabletten mit je 500 mg Calcium. 82 Prozent der Patienten hatten bei der Kombinationspackung keine Probleme mit der Einnahme gegenüber 70 Prozent mit der getrennten Verpackung von Bisphosphonat und Calcium 10. Es konnte gezeigt werden, dass der Wochenblister die Compliance erhöht 11.

Zusammenfassung:

Beide Referenten erklärten: Mit Hilfe von Actonel ist eine schnelle Reduktion des Risikos für vertebrale und nicht-vertebrale Frakturen nach 12 Monaten zu erreichen; für klinisch vertebrale Frakturen war der Effekt bereits nach sechs Monaten sichtbar. Auch der Mann profitiert von einer frühzeitigen Osteoporosetherapie. Die Relevanz klinischer Studien lässt sich gut durch retrospektive Daten aus dem Praxisalltag belegen und/oder ergänzen.

Im Praxisalltag zeigt sich ebenso die Bedeutung der Aufklärung von Patienten, zum Beispiel über die Notwendigkeit ausreichender Calciumzufuhr unter Bisphosphonat-Therapie.

 

Grünwald den 20.September 2006

 

Quellen:
1 BONE-EVA Studie, IGES Institut Berlin 2006
2 Bericht über Osteoporose der Europäischen Gemeinschaft 1998
3 http://lutherhaus.de/osteo/leitlinien-dvo/aktualisierung/DVOlang.pdf
4 Reginster et al., Osteoporos lnt 2000; 11:83-91
5 Harris et al., JAMA 1999; 282(14): 1344-52
6 McClung MR et al., NEJM 2001, 344(5):333-340
7 Boonen et al., Osteoporos Int 2006; 17 (Suppl2): S230-231:Abs P370SA
8 Ringe et al., Rheumatol Int (2006) 26: 427-431
9 Watts N, et al. J Manag Care Pharm. 2004; 10 (2): 142-151
10 Ringe et al., Drugs Aging 2006: 223(7): 569-78
11 Kruse H-P, Ringe JD, Möller G: Osteologie 2006