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Weiterer Fortschritt in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis
(65. Grünwalder Gespräch)

 

ProfKruegerDie Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch-entzündliche, progressiv ver­laufende Autoimmunerkrankung mit einer Prävalenz von 0,5 bis einem Prozent. Frauen erkranken in der Regel zwischen dem 55. und 64. Lebensjahr, Männer zwischen 65 und 75 Jahren.

Krankheitsbild
Die RA ist gekennzeichnet durch schmerzhafte, geschwollene Gelenke sowie Bewegungseinschränkungen und fortschreitende Gelenkzerstörungen. Die Erkran­kung manifestiert sich in den kleinen und mittelgroßen Gelenken. Typisch dabei ist die symmetrische Beteiligung der Fingergrund-, Mittel- sowie der Handgelenke. Im fortgeschrittenen Stadium sind zunehmend große Gelenke betroffen, vor allem die Knie, Ellbogen und Knöchel.

Innerhalb der ersten zehn Jahre führt die Erkrankung bei rund der Hälfte der Betroffenen zu schweren Einschränkungen der Funktionsfähigkeit. Menschen mit RA sind oftmals nicht mehr in der Lage ihren Alltag selbständig zu gestalten. Schmerzen, Abgeschlagenheit und Müdigkeit dominieren ihr Leben. In fortgeschrittenen Stadien werden bisherige Selbstverständlichkeiten, wie zum Beispiel eine Flasche Wasser aufdrehen oder Schuhe anziehen zu können zu einer unlösbaren Aufgabe. Dies zieht in der Regel eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit mit sich. Neben den Schmerzen ein Hauptgrund für den hohen seelischen Leidensdruck der RA-Patienten, der bis zu schweren Depressionen führen kann. Trotz des therapeutischen Fortschritts, geht die Rheumatoide Arthritis auch heute noch mit einer um fünf bis zehn Jahre reduzierten Lebenserwartung einher.

Diagnose
Die Diagnose der RA ist schwierig, da kein einzelner diagnostischer Test existiert. Die Ergebnisse mehrerer Untersuchungen müssen für die klinische Verdachtsdiagnose herangezogen werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) empfiehlt folgende Diagnostik:

Klinisch richtungsweisender Befund

  • Schwellung von mindestens drei Gelenken über sechs Wochen
  • Symmetrisches Verteilungsmuster
  • Morgensteifigkeit der Gelenke über 60 Minuten

Bildgebende Verfahren

  • Röntgenuntersuchung beider Hände und Füße zum Nachweis von Erosionen.

Laboruntersuchungen

  • Eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sowie ein Konzentrationsanstieg des C-reaktiven Proteins (CRP) dienen dem Nachweis einer vorliegenden Entzündung. Bei Normalwerten dieser beiden Parameter kann eine RA in der Regel ausgeschlossen werden.
  • IgM-Rheumafaktoren (IgM-RF) sind bei 75 Prozent der RA-Patienten nachweisbar. Sie sind allerdings nicht RA-spezifisch und treten auch bei Kollagenosen, Infektionskrankheiten, wie Tuberkulose und Hepatitis, sowie bei älteren Menschen auf. Zudem sind sie nur eingeschränkt in den Frühstadien einer RA nachweisbar. Andererseits sind Rheumafaktoren ein wichtiger Marker für die Schwere der Erkrankung.
  • Antikörper gegen cyclische citrullinierte Peptide (CCP) haben sich in den letzten Jahren als wichtiges Diagnoseverfahren – insbesondere zum Nachweis der frühen RA und bei RF-negativen Patienten – herausgestellt. Sie sind hoch­spezifisch für die RA. Zudem lässt der Nachweis auf einen aktiven, mit Gelenkdestruktion assoziierten Verlauf der Erkrankung schließen.

Therapie
Die Therapie der RA sollte von Anfang an in Form einer koordinierten, multidisziplinären Behandlung erfolgen. Dazu gehört eine medikamentöse Behandlung, Krankengymnastik, Ergotherapie sowie weitere physikalische Verfahren. Zudem ist eine intensive Patientenschulung und ggf. eine Betreuung der Patienten durch Psychologen und Sozialarbeiter notwendig. Die Voraussetzungen dafür sind einerseits eine enge Zusammenarbeit von Hausärzten, Rheumatologen und weiterer Fachkräfte, andererseits eine kontinuierliche Dokumentation des Krankheitsverlaufs, die eine individuelle Anpassung der Therapiemaßnahmen erlaubt.

Anhand des DAS (Disease Activity Score) hat die European League against Rheumatism (EULAR) Kriterien zur Beurteilung der Effektivität einer bestimmten Therapie festgelegt. Änderungen von über 1,2 auf der DA Score lassen auf ein gutes Ansprechen schließen, während Änderungen von 0,6 oder weniger als ein Therapieversagen gedeutet werden.

Neben der Nutzung der EULAR-Kriterien kann der Therapieerfolg ebenfalls nach den ACR-(American College of Rheumatology) Responder-Kriterien eingestuft werden. Diese Klassifizierung findet vor allem in internationalen Studien Anwendung. Die Angaben ACR 20, 50 und 70 entsprechen jeweils einer 20-, 50- oder 70-prozentigen Besserung der Beschwerden nach ACR-Kriterien.

Zusätzlich zu dem alle drei Monate erhobenen DAS empfiehlt die DGRh jährliche radiologische Untersuchungen zur Bestimmung der Krankheitsprogression. Weitere wichtige Hilfsmittel zur standardisierten Ermittlung der vom Patienten empfundenen Krankheitslast sind der Funktions-Fragebogen Hannover (FFbH). Anhand von 18 Fragen werden Funktionseinschränkungen bei Aktivitäten des täglichen Lebens erfasst.

Medikamentöse Therapie
Der frühzeitige Beginn einer medikamentösen Therapie mit krankheits­modifizierenden Basistherapeutika (DMARDs: Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs) – möglichst innerhalb der ersten sechs Monate nach Auftreten erster Symptome – hat sich bereits seit längerem durchgesetzt. Das Ziel ist es einer Gelenkzerstörung entgegenzuwirken und die Funktionalität der Gelenke über einen möglichst langen Zeitraum zu erhalten. Allerdings konnte mit den bisher verfügbaren Wirkstoffen, wie Methotrexat (MTX) oder Leflunomid lediglich eine Verzögerung der Krankheitsprogression erzielt werden. Zudem muss die Therapie mit diesen kon­ventionellen DMARDs in 50 Prozent der Fälle wegen Unwirksamkeit oder Unver­träglichkeit innerhalb der ersten zwei Jahre abgebrochen werden. 55 Prozent der DMARDs werden dabei wegen unerwünschter Nebenwirkungen, 60 Prozent wegen Ineffektivität ausgetauscht. Dennoch empfiehlt die DGRh in ihren Leitlinien die konventionellen DMARDs – allen voran MTX – als first line-Therapie. Ein wesentlicher Grund hierfür sind neben der Wirksamkeit die geringen Therapiekosten von circa 0,30 Euro pro Tag.

Im Falle eines primären Therapieversagens wird der Patient in der Regel auf ein anderes DMARD oder eine Kombinationstherapie umgestellt. Studienergebnisse belegen eine deutliche Wirksamkeitssteigerung, insbesondere wenn die kombinierten Substanzen einen unterschiedlichen Wirkmechanismus verfolgen. Doch auch mit solchen Kombinationstherapien kann bei RA-Patienten bestenfalls eine Verzögerung der Krankheitsprogression erzielt werden.

  • Neue Möglichkeiten für die RA-Therapie

„Mit Orencia®  (Abatacept) ist nun ein Biologikum verfügbar, das an dieser Stelle ansetzt. Der selektive T-Zell-Costimulationsmodulator hemmt gezielt die T-Zellaktivität“, so Professor Dr. Klaus Krüger, niedergelassener Rheumatologe, München. Dadurch werden auch die Ausschüttung von TNF-alpha sowie die Aktivierung der B-Zellen und die damit einhergehende Produktion von Auto­antikörpern reduziert. „In Studien konnte die Wirksamkeit von Orencia® bei unzu­reichendem Ansprechen von MTX und TNF alpha-Inhibitoren gezeigt werden. Der Wirkstoff Abatacept besitzt eine andauernde sowie sich im Zeitverlauf noch verbessernde Wirksamkeit und ermöglicht somit eine langfristig erfolgreiche Therapie der Rheumatoiden Arthritis“, erklärte Krüger bei den Grünwalder Gesprächen im April 2008. Eine Verbesserung der Lebensqualität der Patienten mit Orencia® wurde in der ATTAIN-Studie (Abatacept Trial in Treatment of Anti-TNF Inadequate Responders) nachgewiesen: Gemäß des Short-Form-36-Health Surveys (SF-36) wurde nach Auswertung aller physischer Komponenten eine Verbesserung bei 44,6 Prozent der Patienten im Abatacept/DMARDs-Studienarm gegenüber 23,1 Prozent der Patienten in der Plazebo/DMARDs-Gruppe erreicht. Dies bedeutet für RA-Patienten letztendlich mehr aktive Tage und eine höhere Lebensqualität.

 

Zusammenfassung:
Trotz des großen medizinischen Fortschritts bei der Behandlung der Rheumatoiden Arthritis besteht nach wie vor ein großer Bedarf an neuen Wirkstoffen. Diese sollten vor allem eine langfristig wirksame und besser verträgliche Therapie gewährleisten. Eine Schlüsselrolle werden dabei Biologika spielen, die andere Wirkansätze verfolgen als die derzeit verfügbaren. Hoffnungen werden auf Wirkstoffe gesetzt, die möglichst zentral und spezifisch in die RA-Entzündungskaskade eingreifen. Zudem sollten im Sinne der Patienten – neben der andauernden Verbesserung der Symptomatik – die Funktionalität der Gelenke und die Lebensqualität stärker bei den Therapiezielen berücksichtigt werden.

 

Quellen:

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