Schilddrüse in guten Händen
Schilddrüsen-Erkrankungen sind in Deutschland die Volkskrankheit Nr. 1. Jeder dritte Erwachsene hat krankhafte Veränderungen an der Schilddrüse, jeder vierte sogar Knoten in der Schilddrüse. Deshalb lautet die Forderung aller Schilddrüsen-Experten: Die Schilddrüse sollte bei jedem Gesundheitscheck palpiert werden. Die Schilddrüsenvergrößerungen oder Knoten lassen sich mit einem einfachen Therapieregime behandeln. Die konsequente Anwendung von Jodid in Kombination mit L-Thyroxin führt bei einem Großteil der Patienten zu einer Rückbildung der Schilddrüse und hilft mögliche Komplikationen zu vermeiden. Bei der Papillon Schilddrüsenwoche 2006 vom 24. April bis 30. April 2006 soll die Aufmerksamkeit der Hausärzte wieder stärker auf die Schilddrüse und deren Palpation gelenkt werden. Darum ging es beim Grünwalder Gespräch während der Aktionswoche.
Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, Chefärztin der 3. Medizinischen Abteilung, Klinikum Bogenhausen, München: „Im Zentrum der Aktion stehen Hausärzte und ihre Patienten.“ Die Schilddrüsenwoche wird gemeinsam von der Schilddrüseninitiative Papillon und dem Forum Schilddrüse durchgeführt. Partner sind die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN), das Unternehmen Sanofi-Aventis (Henning) und die Medical Tribune. Auch der Hausärzteverband unterstützt die Aktionswoche. Sie findet bundesweit vom 24. bis 30. April statt.
„Neben der Aufklärung der Bevölkerung möchte man mit dieser Aktionswoche auch zu einer Verbesserung der morphologischen Schilddrüsendiagnostik beim Hausarzt beitragen“, so Schumm-Draeger.
In über 10.000 Hausarztpraxen findet zur Zeit die Aktionswoche statt. Unterstützt werden die teilnehmenden Praxen mit umfangreichem Informationsmaterial für Arzt, Praxisteam und Patienten zum Thema Schilddrüsenerkrankungen und zur Schilddrüsenpalpation. Es werden Fortbildungskurse für Ärzte angeboten und Unterlagen für die Patientenfortbildung. In einer parallel laufenden Erhebung werden die palpatorischen Befunde von ca. 40.000 Patienten ohne bekannte Schilddrüsenvorerkrankungen erfasst. Registriert werden Alter, Geschlecht und Palpationsbefund.
Ein erstes Fazit des Forum Schilddrüse: Die Aktionswoche stößt bei Ärzten und Patienten auf riesengroßes Interesse.
Mehrere epidemiologische Erhebungen der Schilddrüsen-Initiative Papillon haben seit dem Jahr 2001 stattgefunden. Über die Ergebnisse von Papillon 3 publizierte und berichtete Professor Schumm-Draeger: Ziel von Papillon 3 war es festzustellen, wie gut Schilddrüsen-Patienten mit einer Struma und/oder Knoten unter einer medikamentösen Therapie eingestellt sind. Das alarmierende Ergebnis: Nur bei 40 Prozent der mit Schilddrüsenhormon-haltigen Regimen behandelten Patienten lag der TSH-Wert in dem empfohlenen niedrig-normalen Bereich von 0,3-1,2m U/l.
Bei knapp 40 Prozent der Patienten lag der TSH-Wert im oberen Normbereich. Das bedeute, dass die Therapie nicht effektiv sei, so Schumm-Draeger, also nicht zu einer Strumaverkleinerung führte. Mehr als 20 Prozent der dokumentierten Patienten hatten unter einer medikamentösen Therapie pathologische TSH-Werte (<0,3 und > 4,0m U/l).
„Dabei ist eine Struma-Therapie wirklich ganz einfach“, so Schumm-Draeger.
„Zwei Empfehlungen sind zu beachten: Die Patienten bekommen eine Kombinationstherapie mit Jod und L-Thyroxin (z.B. Thyronajod ™) im Verhältnis 2 zu 1. Mit dieser Kombinationstherapie kann man die TSH-Produktion reduzieren und Jodid sorgt für die Jodzufuhr. Mangelndes Jod ist der Auslöser für Strumen“.
Für die Hausärzte sagte Dr. Diethard Sturm, Facharzt für Allgemeinmedizin, Hohenstein-Ernstthal: „Bei der Früherkennung von Schilddrüsenstörungen ist der Hausarzt gefordert, meistens die erste Anlaufstelle des Patienten“. Allerdings gebe es den typischen Schilddrüsenpatienten beim Hausarzt nicht. Unsere Patienten leiden häufig an mehreren Erkrankungen. Normalerweise sind Schmerzen bei Schilddrüsenstörungen selten. Erst wenn die Beschwerden zunehmen, ein Druck Angst macht oder gar der Atem kürzer wird, sehen wir die Patienten. Auch das Aussehen führt den Patient in die Praxis, warum heißt es „überflüssig wie ein Kropf“.
Sturm begrüßt sehr die Initiative der Papillon Schilddrüsenwoche 2006 und hat bei seinen Kollegen fürs Mitmachen geworben. „Wie leicht lässt sich bei einem Gesundheitscheck auch die Schilddrüse untersuchen: von dorsal, beim sitzenden Patienten mit dem 2. und 3. Finger oder allen vier Langfingern ohne großen Druck, dabei den Patienten schlucken lassen.“ „Sollte wirklich bei dieser Untersuchung eine Schilddrüsenstörung festgestellt werden, liegt die weitere Behandlung dann in den Händen der Spezialisten“.
Dr. Sturm freut sich über die zahlreiche Beteiligung seiner Kollegen. „Hoffentlich wird auch nach der Aktionswoche, die Schilddrüse im Blickfeld meiner Kollegen bleiben“. Auch Professor Schumm-Draeger ist optimistisch: „Die nun begonnene intensivierte Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Spezialisten wird sich fortsetzen und ausbauen“.
Zwar hätte sich die Versorgung der Bevölkerung mit Jod verbessert, bleibt aber immer noch hinter den Empfehlungen der WHO von täglich 150 bis 300 m g zurück. Optimale Therapieempfehlungen erleichtern die tägliche Arbeit des Hausarztes bei seinen Schilddrüsenpatienten.
Grünwald im April 2006
Quellen: