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Schilddrüsentherapie auf dem Prüfstand: Was müssen wir wissen – was können wir tun ?


Jeder dritte Erwachsene in Deutschland hat eine kranke Schilddrüse, ohne es zu wissen. So werden zum Beispiel jährlich rund 100.000 Patienten an der Schilddrüse operiert und weitere 60.000 mit einer Radiojodtherapie behandelt, weil ihre Schilddrüsen-Erkrankung zu spät diagnostiziert wurde. Wie aber sieht eine optimale Schilddrüsenbehandlung aus? Diese und weitere Fragen wurden beim Grünwalder Gespräch im April 2005 diskutiert.

Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, Chefärztin der 3. Medizinischen Abteilung für Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie, Städtisches Klinikum München GmbH, Krankenhaus Bogenhausen, erklärte, wie wichtig eine gesunde Schilddrüse sei. Sie stellt aus Jod und Eiweißbausteinen lebenswichtige Hormone her. Diese sind mitverantwortlich für Stoffwechselvorgänge und sorgen für die reibungslose Funktion von Nervensystem, Herz/Kreislauf und Muskulatur. Eine vergrößerte Schilddrüse kann die Luftröhre einengen oder den Stimmbandnerv schädigen. Außerdem entstehen Knoten, die häufig operativ entfernt werden müssen.

Um das Bewußtsein für Schilddrüsen-Erkrankungen in der Bevölkerung zu schaffen, wurde 2001 die Schilddrüsen-Initiative Papillon gegründet. Beteiligt sind die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie, die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin, der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V., die Bundesapothekenkammer, die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin, der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker e.V. und die sanofi-aventis-group.

Der Schwerpunkt lag darauf, das Bewusstsein für Schilddrüsenerkrankungen in Deutschland zu stärken und Betroffene über Ursachen, Folgen und mögliche Vorsorgemaßnahmen aufzuklären. In einer ersten bundesweiten Ultraschall-Untersuchung der Schilddrüse (Papillon 1), der weltweit größten epidemiologischen Erhebung bei über 100.000 Beschäftigten in Firmen und Institutionen, wurde festgestellt:

Schumm-Draeger: „Papillon 1 zeigte: Schilddrüsen-Erkankungen sind in Deutschland eine Volkskrankheit. Die Ursache ist meist chronischer Jodmangel. Im WHO-Bericht von 1998 wurde Deutschland als Jodmangelgebiet eingestuft. Bei Jodmangel wachsen die Schilddrüsenzellen in dem Bemühen, das zu wenig vorhandene Jod optimal zu nutzen. Dadurch bildet sich die krankhaft vergrößerte Schilddrüse, der sogenannte ‚Kropf‘“.

Aufgrund des großen Erfolges wurde die Schilddrüsen-Initiative Papillon weitergeführt. Bei Papillon 2 wurden epidemiologische Daten zu subklinischen und manifesten Funktionsstörungen der Schilddrüse – wieder bei „gesunden“ Arbeitnehmern – erhoben.

Die Auswertung von Papillon 2 läuft noch.

Inzwischen stehen aber bereits die Ergebnisse von Papillon 3 fest, die Professor Schumm-Draeger, kurz nach der erstmaligen Präsentation vor Schilddrüsenspezialisten, Journalisten bei den Grünwalder Gesprächen präsentierte. Ziel von Papillon 3 war es festzustellen, wie gut Schilddrüsen-Patienten mit einer Struma und/oder Knoten unter einer medikamentösen Therapie eingestellt sind.

Von März bis August 2004 wurden in 3.170 Arztpraxen 23.548 Patienten (80 Prozent Frauen und 20 Prozent Männer), die mit Schilddrüsenhormonen und/oder Jod behandelt wurden, auf die „Einstellungsqualität“ des TSH (Schilddrüsen-stimulierendes-Hormon) untersucht. Die Bestimmung des TSH-Wertes im Blut ist der sensibelste und beste Parameter, mit dem eine adäquate Überprüfung der Therapie festgestellt werden kann. Ziel von Papillon 3 war es zu überprüfen, ob die Therapieempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), den TSH-Wert bei der Therapie der Struma mit oder ohne Knoten in den unteren Normbereich einzustellen, beachtet werden.

„Die Ergebnisse sind zwar enttäuschend – aber vielleicht nicht unerwartet“, so Schumm-Draeger. 63 Prozent der Patienten bekamen L-Thyroxin als Monotherapie, weitere 28 Prozent eine Kombitherapie (L-Thyroxin und Jodid). Nur 40 Prozent der untersuchten Patienten hatten ein TSH zwischen 0,3 und 1,2 mU/l, wie von der DGE empfohlen. Mehr als 20 Prozent der dokumentierten Patienten hatten unter einer medikamentösen Therapie pathologische TSH-Werte ( < 0,3 und > 4,0mU/l).

„Dabei ist eine Struma-Therapie wirklich ganz einfach“, so Schumm-Draeger. „Zwei Empfehlungen sollten beachtet werden: Die Patienten bekommen eine Kombinationstherapie mit Jodid und L-Thyroxin (z.B.Thyronajod ™ ) im Verhältnis 2 zu 1. Der TSH-Wert soll bei dieser Behandlung zwischen 0,3 bis 1,2mU/l liegen. Mit dieser Kombinationstherapie kann man die TSH-Produktion reduzieren und Jodid sorgt für die Jodzufuhr. Denn mangelndes Jod ist der Auslöser für Strumen“.

Was sind die Konsequenzen aus Papillon 3? Professor Schumm-Draeger: „Die Versorgung der Bevölkerung in Deutschland mit Jod hat sich verbessert, bleibt aber noch hinter den Empfehlungen der WHO von täglich 150 bis 300 µg zurück. Eine präventive Maßnahme ist, die deutsche Bevölkerung immer wieder auf die Bedeutung einer ausreichenden Jodzufuhr hinzuweisen. Wichtig erscheint es auch, die behandelnden Ärzte weiter aufzuklären und sie bei der Behandlung von Schilddrüsen-Patienten mit optimalen Therapieempfehlungen zu unterstützen“.

Grünwald im April 2005

Quelle: Thyroid, Vol. 14, Nr. 11, November 2004

Im Überblick: Schilddrüsentherapie (sanofi-aventis-group)

Weitere Quellen bei der Referentin